Die Menopause und die Hormonersatztherapie (HRT) waren Anfang Februar Titelgeschichte im New York Times Magazine. Der Artikel von Susan Dominus ist großartig, wissenschaftlich fundiert und dazu mit tollen Bildern illustriert. Er ist ziemlich lang, wir haben hier ein paar Ausschnitte aus dem Text zusammengefasst. Auf die wissenschaftlichen Infos zur HRT aus dem Artikel haben wir verzichtet, dazu findest du in einem anderen Blog-Beitrag viele Infos. In jedem Fall lohnt es sich, den ganzen Artikel zu lesen. Alternativ kannst du ihn auch anhören.
Der Beitrag dreht sich konkret um die Hormonersatztherapie bzw. um die Frage, warum Frauen diese Behandlung – die auch als Therapie der Wahl in der aktuellen Leitlinie der Peri- und Postmenopause empfohlen wird – so selten erhalten.
Susan Dominus ist selbst in den Wechseljahren. Sie erzählt, dass zunächst viele ihrer Freundinnen unerwartet mit den hormonellen Veränderungen zu kämpfen hatten. „Und dann erwischte mich der gleiche Zustand. Ich kam in die Perimenopause, die biologisch chaotische Phase vor der letzten Periode einer Frau, in der ihr Reproduktionszyklus seine letzten, schwankenden Runden dreht. Manchmal wurde ich nachts von Hitzewallungen wach, gefolgt von Grübeleien und schlechter Laune am nächsten Tag. Noch beunruhigender fand ich meine Gedächtnislücken. Ich suchte nach Worten oder Namen – ein Zustand, der auch meinem Umfeld auffiel.“
Unzureichende Betreuung von Ärzt:innen
Ihre Freundinnen erhielten von ihren Ärzt:innen allerdings keine wirksamen Lösungen oder Tipps für die Behandlung ihrer Symptome: Als eine gegenüber ihrem Gynäkologen erwähnte, dass sie einmal in der Nacht wegen Hitzewallungen aufwachte, winkte dieser ab und sagte, dass dies kaum der Rede wert sei. Eine andere erhielt ein Präparat aus Bienenpollen, das nicht half, und wieder andere erlebten peinliche Situationen, wenn sie die geringere Libido und Scheidentrockenheit gegenüber ihrer Ärzt:in thematisierten.
Frauen erhalten nur selten eine Hormonersatztherapie zur Behandlung der Symptome
Susan Dominus stellt sich und im Artikel die Frage, warum Frauen eine in zahlreichen Studien geprüfte Behandlung, die bei Beschwerden der Wechseljahre wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Depressionen und schmerzende Gelenke wirksam ist, nicht erhalten. Denn es gibt ja seit vielen Jahrzehnten die Hormonersatztherapie (HRT), für die außerdem bekannt ist, dass sie das Diabetesrisiko senken und vor Osteoporose schützen kann. Die HRT kann auch bei der Vorbeugung von Harnwegsinfektionen und Schmerzen beim Sex helfen, von denen fast die Hälfte der Frauen nach der Menopause betroffen ist.
Aber: „Frauen, die dafür in Frage kämen, wird die Hormontherapie zur Behandlung ihrer Symptome verweigert”, zitiert sie JoAnn Manson, Leiterin der Abteilung für Präventivmedizin am Brigham and Women’s Hospital. Manson war auch eine der leitenden Forscherinnen der sogenannten WHI-Studie, der größten Studie zur Frauengesundheit weltweit. Die Ergebnisse dieser Studie hatten die HRT vor 20 Jahren in ihre größte Krise gestürzt, denn die damalige Botschaft war: Die Hormontherapie ist für Frauen gefährlich. Auch wenn die Risikobewertungen von 2002 mittlerweile drastisch korrigiert wurden, „zögern weiterhin Zehntausende von Ärzten, Hormone zu verschreiben.“
Die Beschwerden verschwinden aber ja nicht, nur weil Ärzt:innen zu wenig über die Behandlung wissen. Ein Großteil der Frauen leidet unter Wechseljahrebeschwerden und steht bis heute ohne echte Unterstützung da. Nach Ansicht von Rebecca Thurston, Professorin für Psychiatrie an der Universität Pittsburgh sind Frauen in den Wechseljahren im Allgemeinen unterversorgt. Sie hält dieses Versäumnis „für einen der großen blinden Flecken der Medizin. Das deutet darauf hin, dass wir eine hohe kulturelle Toleranz gegenüber dem Leiden von Frauen haben”, sagt Thurston. “Es wird nicht als wichtig angesehen.”
Starke Vernachlässigung der Aus- und Weiterbildung über die Menopause
Aus Sicht von Dominus sind zu viele Ärzte nicht in der Lage, die komplizierten Vor- und Nachteile einer HRT abzuwägen, selbst wenn sie es wollten. Denn viele von ihnen haben nie eine Ausbildung über die Wechseljahre erhalten. Wenn nun Frauen diese Ärzt:innen, denen die Erfahrungen mit einer Hormontherapie fehlt und die nach wie vor die negativen Schlagzeilen der WHI-Studie im Ohr haben, aufsuchen, werden sie vor allem verunsichert. Ärzt:innen hinterfragen ihre Symptome. So sagte ihre Ärztin, dass sie Hormone nur bei signifikanten Symptomen verschreiben würde. „Ich fühlte mich zurückgewiesen, war erschrocken, wie schnell das Gespräch zu Ende war, und zweifelte an mir selbst. Waren meine Symptome denn überhaupt ‚signifikant‘? Nach wessen Definition?“, so Dominus.
Die Menopause hat die schlechteste PR-Kampagne der Welt
Susan Dominus verweist auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage, die ergab, dass 35 Prozent der Frauen in den Wechseljahren vier oder mehr Beschwerden bei sich feststellten. Aber nur 44 Prozent besprechen ihre Symptome mit einer Ärzt:in. Sie zitiert Rachel Rubin, Expertin für sexuelle Gesundheit und stellvertretende klinische Professorin für Urologie an der Georgetown University: “Die Menopause hat die schlechteste PR-Kampagne in der Geschichte des Universums. Denn es geht nicht nur um Hitzewallungen und nächtliche Schweißausbrüche“. In einer idealen Welt, so Rubin, würden mehr Gynäkologen, Internisten und Urologen mit ihren Patientinnen mittleren Alters eine Liste hormoneller Symptome durchgehen, anstatt abzuwarten, ob diese Frauen sie selbst darauf ansprechen.
Rubin findet, dass jede Frau für sich entscheiden sollte, ob sie eine Hormonersatztherapie braucht: Auch für eine Frau, die Haarausfall hat, unter Gelenkschmerzen leidet, die deprimiert oder erschöpft ist könnte die Verbesserung der Lebensqualität im Alltag es wert sein, zusätzliche Risiken einer Hormontherapie in Kauf zu nehmen.
Das Fazit von Dominus läuft darauf hinaus, dass wir mehr qualitativ hochwertige Forschungen zur Frauengesundheit brauchen. Nur diese kann für klare Empfehlungen für Frauen in der Mitte des Lebens sorgen. „Die Wissenschaft geht weiter. Wir warten auf den Fortschritt und hoffen, dass er so unausweichlich ist wie das Altern selbst.“