Hormonersatz-Therapie – ja oder nein? Die umstrittene WHI-Studie

Portrait Anke Sinnigen

Die Hormonersatz-Therapie (HRT) polarisiert. Die einen verteidigen sie, weil sie Beschwerden während der Menopause signifikant mindern und sogar einen präventiven Effekt auf andere Erkrankungen haben soll, die anderen verweisen auf die großen Risiken wie z.B. Brustkrebs und Thrombosen und dass wir uns nicht dem Hormondiktat unterwerfen sollen.

Schuld an den Diskussionen ist vor allem die Women’s Health Initiative (WHI)-Studie (1) aus den USA: Mit mehr als 160.000 (postmenopausalen) Frauen ist die WHI-Studie die größte, die bisher zur Frauengesundheit durchgeführt wurde. Die zentrale Fragestellung dieser randomisiert-kontrollierten Studie war, ob Sexualhormone Frauen nach den Wechseljahren vor einem Herzinfarkt schützen.

Abbruch der WHI-Studie führte zu großen Verunsicherungen

Aber: Nach fünf Jahren wurde die Studie plötzlich vorzeitig beendet und die Aufruhr war groß: Es hatte sich herausgestellt, dass die gesundheitlichen Risiken der Einnahme von Hormonen höher waren als der Nutzen, den man sich von der Hormongabe versprochen hatte. U.a. kam es zu einer Zunahme an Brustkrebsdiagnosen. Zugleich erhöhten sich die Fälle von Thrombosen, Herzerkrankungen und Schlaganfällen. Dem gegenüber stand zwar ein vermindertes Risiko von Darmkrebs und Oberschenkelhalsbruch, insgesamt waren die negativen Ergebnisse aber in der Überzahl und führten zum vorzeitigen Abbruch der Studie.

Diese Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Von einem Tag auf den anderen wurde die HRT verteufelt und pauschal kommuniziert, dass Hormone das Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Thromboserisiko sowie das Risiko für Brustkrebs erhöhen. In der Presse war von der „Hormonblamage“ (Der Spiegel) bis hin zur „tödlichen Therapie“ (Süddeutsche Zeitung) die Rede (2). Für viele Frauen bedeutete der Abbruch der Studie, dass sie von heute auf morgen ihre Hormontabletten in den Müll warfen, und auch die Gynäkologinnen waren ratlos, wie sie denn nun ihre Patientinnen beraten sollten.

Neue Interpretationen der Studienergebnisse waren notwendig

Vielleicht fragst du dich, warum dann überhaupt noch bzw. wieder Hormone als Behandlungsmöglichkeit angeboten werden? Auch Wissenschaftler können irren bzw. es stellten sich relativ schnell einige Fehler im Studiendesign und falsche Interpretationen der Ergebnisse heraus.

Hier einige Beispiele:

  • Die Frauen der Studie waren durchschnittlich 63 Jahre alt. Die älteste war sogar zu Beginn der Studie bereits 79 Jahre. Dabei kommen Frauen mit etwa 51 Jahren in die Wechseljahre, diese würden also dann oder bereits ein paar Jahre früher mit einer HRT starten.
  • Es wurde nur ein Präparat geprüft, das zudem in Europa kaum verwendet wurde. Die Dosierung dieses Präparats war für das fortgeschrittene Lebensalter zu hoch.
  • Viele der teilnehmenden Frauen waren adipös oder hatten einen hohen Blutdruck, viele waren Raucherinnen und einige hatten bereits kardiovaskuläre Erkrankungen. Das sind alles Vorbelastungen, in denen man heute eine Kontraindikation für eine Hormonersatztherapie sehen würde.
  • In den Follow-up Analysen konnte gezeigt werden, dass die Krebsfälle und kardiovaskulären Erkrankungen vor allem bei den älteren Frauen aufgetreten waren bzw. es bei den 50-59Jährigen nur sehr wenige Ereignisse gab. Die Analysen zeigten auch, das die Sterblichkeit der Frauen insgesamt reduziert und nicht erhöht war.

Die Neuinterpretationen der WHI-Studie und weitere Beobachtungsstudien konnten vor allem auch einen präventiven Aspekt der Hormonersatztherapie zeigen: So war das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Osteoporose als auch offenbar Alzheimer geringer bei den Frauen, die zusätzlich Hormone erhielten. Alles in allem also eine 180° Drehung, wenn man die Interpretationen der Studienergebnisse aus den verschiedenen Jahren gegenüberstellt.

Ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs blieb bestehen, allerdings nur bei der Kombitherapie aus Östrogenen und Progesteron. Und, wenn man das tatsächliche Risiko beurteilen will, sollte man berücksichtigen, dass z.B. Übergewicht und täglicher Alkoholkonsum das Risiko für Brustkrebs deutlich mehr erhöhen als die kombinierte HRT. 

Autoren der WHI-Studie gestanden Fehler bei der Interpretation der Daten ein

Auch zwei Autoren der WHI-Studie stellten 2016 fest, dass sie die Ergebnisse falsch interpretiert hatten. Vor allem gestanden sie ein, dass es ein Fehler war, die Ergebnisse auf menopausale Frauen jeden Alters zu übertragen und sich die Subgruppen, wie die jüngeren Frauen, nicht genauer anzugucken.

Im Ergebnis hat über viele Jahre zu einer unzureichenden Behandlung von Frauen in den Wechseljahren geführt – und diese Zeit dauert bis heute an (3). Aufgrund der ersten Ergebnisse der WHI-Studie wurde aber auch eine ganze Generation von ÄrztInnen im Hinblick auf eine Behandlung der menopausalen Beschwerden falsch ausgebildet (4). Darunter sind sicherlich auch ÄrztInnen, die dich heute betreuen.

Moderne Homonersatztherapie ist für viele Frauen geeignet

In den letzten 20 Jahren hat sich die HRT erheblich weiterentwickelt, die Hormondosen sind geringer, es kommen bioidentische Hormone zum Einsatz und die Hormone werden bevorzugt über die Haut verabreicht (um direkt in die Blutbahn zu gelangen und den Leberkreislauf zu umgehen, was wiederum das Thromboserisiko verringert). Das alles reduziert die Gesundheitsrisiken zusätzlich.

Eine Hormonersatztherapie kommt dennoch auch heute nicht für alle Frauen in Frage, es gibt besondere medizinische Gründe, weshalb du darauf verzichten solltest. Für die meisten Frauen ist sie aber eine gute Möglichkeit, die diversen Beschwerden der Wechseljahre zu lindern. Wenn du daran Interesse hast, lass dich dazu am besten von deiner GynäkologIn beraten.

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