FDA-Panel: Hormontherapie in den Wechseljahren auf dem Prüfstand

Portrait Anke Sinnigen

Am 17. Juli 2025 fand ein wichtiger Roundtable der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA statt: Renommierte Ärztinnen und Ärzte diskutierten offen über die Versorgungslücken bei Frauen in den Wechseljahren und forderten eine Neubewertung der aktuellen medizinischen Empfehlungen zur Hormontherapie.

Die zentralen Diskussionspunkte im FDA-Panel:

1. Veraltete Studienlage: Die WHI als Basis für jahrzehntelange Angst

Die Women’s Health Initiative (WHI) von 2002 prägte den Diskurs zur HRT wie keine andere Studie. Doch sie wurde im Panel mehrfach kritisch eingeordnet:

  • Die Teilnehmerinnen in der Studie waren durchschnittlich 63 Jahre alt – also weit jenseits des Alters, in dem HRT normalerweise begonnen wird.
  • Nur bestimmte Hormonformen wurden untersucht (konjugierte equine Östrogene + Medroxyprogesteronacetat), nicht moderne bioidentische oder transdermale Varianten.
  • Neuere Analysen zeigen: Frauen, die vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause mit der HRT beginnen, profitieren in vielerlei Hinsicht: geringere Sterblichkeit, weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Demenz, weniger Osteoporose.

Trotzdem stützen sich viele Warnungen bis heute auf die WHI-Daten – ein Missstand, den die Panelteilnehmer:innen deutlich kritisierten.

2. Vaginale Östrogene sind sicher – und dennoch umstritten.

Mehrere der Expertinnen betonten: Lokal angewendete Östrogene (z. B. Zäpfchen, Cremes, Ringe, bei uns in der Regel Estriol) werden bei Beschwerden wie Scheidentrockenheit oder wiederkehrenden Harnwegsinfekten eingesetzt. Sie wirken lokal, nicht systemisch. Studien zeigen: Es gibt keine Hinweise auf erhöhte Risiken für Brustkrebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Trotzdem verunsichern veraltete Warnungen viele Frauen und Ärzt:innen

Hinweis: In den USA sind diese Präparate mit einer sogenannten “Black Box Warnung” versehen – der höchsten Warnstufe für Medikamente. Mehrere der Expert:innen forderten die Entfernung dieser Warnung. In Europa ist die Situation regulatorisch anders, aber auch hier gibt es ähnliche Unsicherheiten aufgrund des einheitlichen Beipackzettels.

3.Testosteron für Frauen: Eine Frage der Gleichberechtigung

Während es in den USA mehr als ein Dutzend Testosteron-Präparate für Männer gibt, existiert bis heute kein zugelassenes für Frauen. Obwohl Millionen Frauen einen altersbedingten Testosteronmangel erleben – mit Auswirkungen auf Libido, Muskelerhalt, Konzentration und Stimmung – gibt es bislang keine Zulassung durch die FDA. Auch hier wurde eine Überarbeitung der regulatorischen Hürden gefordert. (Auch in Europa gibt es kein zugelassenes Testosteron-Präparat, es wird auf Individualrezepturen aus der Apotheke zurückgegriffen).

4. Versorgungsrealität: Ausbildungslücken und Verunsicherung

Mehrere Expert:innen wiesen darauf hin, dass Studierende und Fachärzt:innen kaum auf das Them Wechseljahre vorbereitet werden. Seit dem „WHI-Schock“ 2002 sei die Menopause in der medizinischen Ausbildung vernachlässigt worden. Folge: Viele Frauen finden keine Ärzt:innen, die sich mit der Hormontherapie auskennen (Diese Situation ist mit der bei uns gut vergleichbar. Außerdem gibt es keine eigene Abrechnungsziffer für die kassenärztliche Beratung, so dass diese wirtschaftliche für Ärzt:innen nicht attraktiv ist)

5. Appell an die FDA

Das Panel forderte die FDA auf, die wissenschaftliche Datenlage neu zu bewerten, insbesondere:

  • Die Entfernung oder Differenzierung der Black-Box-Warnung für vaginale Östrogene.
  • Eine evidenzbasierte Neubewertung der systemischen HRT, angepasst an moderne Präparate.
  • Zulassungsverfahren für Testosteron-Dosen speziell für Frauen.
  • Klare, differenzierte Leitlinien für die ärztliche Praxis.

Wie geht es weiter?

Das Panel war das erste seiner Art. Konkrete Maßnahmen der FDA wurden beim Roundtable selbst noch nicht angekündigt. Die Teilnehmer:innen hoffen auf eine Fortsetzung und eine Überarbeitung der bisherigen regulatorischen Positionen

Warum das auch Europa angeht

Die Warnhinweise der FDA beeinflussen weltweit die Wahrnehmung der HRT. Auch in Europa ist die Zurückhaltung vieler Ärzt:innen gegenüber Hormonen eine direkte Folge der WHI-Studie.

Das Panel bleibt hoffentlich auch hierzulande in Fachgesellschaften, Arzneimittelbehörden und Fortbildungsinstitutionen nicht unbemerkt. Denn Frauen verdienen weltweit eine moderne medizinische Versorgung – ohne weiterhin unnötige Angst, Verunsicherung oder veraltete Dogmen zu verbreiten!