Miranda July: Auf allen vieren – oder wie verändert die Menopause Frauen

Portrait Anke Sinnigen

Um es kurz zu machen: Der Roman “Auf allen vieren” von Miranda July ist eine Wucht! Es geht um die Identitätskrise und die Libido einer namenlosen Künstlerin, die sich in den Wechseljahren auf eine (sexuelle) Entdeckungsreise begibt. Ein für viel Geld neu gestaltetes Motelzimmer spielt dabei eine besondere Rolle, ihr großes Verlangen nach einem Mitarbeiter einer Autovermietung, ihre in die Jahre gekommene Partnerschaft und der Austausch mit ihren Freundinnen über die Angst, dass durch die hormonellen Veränderungen die Lust verschwindet.

Für ihr Buch hat Miranda July mit vielen Frauen über ihre Erfahrungen mit der Menopause gesprochen, und verarbeitet einige dieser Rückmeldungen in ihrem Roman. Ich möchte hier einige diese Zitate mit dir teilen, denn sie zeigen ein positives Bild der Wechseljahre:

So antwortet die Gynäkologin der Protagonistin auf die Frage, was das Beste nach den Wechseljahren ist, dass es um die mentale Gesundheit der postmenopausalen Frauen meistens besser bestellt sei als in irgendeiner anderen Lebensphase (die Kindheit vielleicht ausgenommen). Die Ärztin begründet ihren Eindruck damit, dass der ewige Kreislauf von Östrogen, Progesteron und dem follikelstimulierenden Hormon endlich ein Ende hätte. “Und natürlich gehört einem der eigene Körper in einer patriarchalen Gesellschaft erst dann wirklich selbst, wenn man das fortpflanzungsfähige Alter hinter sich gelassen hat.”

Mehr davon? Bitte sehr:

„Ich kann jetzt wirklich Ich sein. Als wäre ich neun Jahre alt und könnte tun und lassen, was ich will“.

„Meine chronische Migräne ist nach den Wechseljahren komplett verschwunden“

“Ich habe vier Menschen zu dieser Welt beigetragen. Ich hab meinen Teil erledigt. Mein Körper gehört jetzt mir, weil er sonst niemanden mehr gehören kann.“

“Ich habe nach den Wechseljahren abgenommen. Nachdem ich mein Leben lang mit Übergewicht zu kämpfen hatte.”

“Die ganzen Hormone, die mich umgänglich gemacht haben, damit ich mich fortpflanzen kann, sind jetzt verschwunden, und stattdessen gibt es jetzt Hormone, die sich heftig gegen jeden Angriff auf meine Autonomie und Freiheit wehren.”

“Was andere Leute denken, tun oder sagen, geht mir am Allerwertesten vorbei, seit ich meine Tage nicht mehr kriege. Die Sorgen der Welt kommen mir jetzt wie ein hektischer Fiebertraum aus meiner Jugend vor.”

“Wenn man sein ganzes Erwachsenenleben auf eine bestimmte Art und Weise behandelt wurde, nur weil man hübsch und sinnlich ist, ist es herrlich, jetzt quasi unsichtbar zu sein. Aber ich habe ein bisschen gebraucht, um loszulassen, und ich weiß, dass es auch anderen Frauen nicht leichtfällt, zu akzeptieren, dass ihre Blütezeit zu Ende geht. Aber ich würde mir so, so sehr wünschen, ich könnte ihnen sagen, wie wunderbar das Leben ist, wenn man die Blüte erst mal losgelassen hat.”

“Ich leide unter Depressionen, Panikattacken und einer dissoziativen Störung, aber die Symptome haben sich nach der Menopause deutlich verbessert, sodass lebenslange Beziehungsvermeidungsmuster zum Vorschein kamen und sichtbar wurden.”

Der Roman ist manchmal verrückt und man hat das Gefühl, einen fremden Planeten zu besuchen, er ist intim und auch erotisch, verblüfft und berührt. Es gibt einige Sprünge in der Handlung, in Gedanken und Szenen, aber er ist eine ehrliche, schonungslose Auseinandersetzung mit der Identität und Libido älter werdender Frauen – der man sich kaum entziehen kann.

Miranda July: Auf allen vieren. 25 Euro

Danke an den Verlag Kiepenheuer und Witsch für das Rezensionsexemplar.

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