Wechseljahre & Gesundheit: Warum wir nicht zu viel, sondern endlich genug darüber reden

Portrait Anke Sinnigen

Die Wechseljahre sind kein Trend – sondern ein stark unterschätztes Gesundheits- und Gesellschaftsthema. Trotzdem wird in großen deutschen Medien Frauen vorgeworfen, „zu viel“ darüber zu reden. Jüngstes Beispiel im Oktober: Ein Artikel von Mirna Funk in der WELT, in dem die Autorin argumentiert, Frauen würden durch die öffentliche Auseinandersetzung mit den Wechseljahren „anti-emanzipatorisch“ handeln. Die zunehmende Sichtbarkeit von hormonellen Veränderungen, Beschwerden und Therapieoptionen sei angeblich ein Rückschritt für die Gleichberechtigung. Ähnlich kritisch schrieb Carmen Böker im August in der ZEIT und behauptete, Frauen inszenierten sich durch Wechseljahre-Themen als “Problemzone” und „fragile Wesen“.

Solche Aussagen haben eines gemeinsam: Sie reproduzieren das alte Muster, weibliche Gesundheit zu bagatellisieren. Immer dann, wenn Frauen beginnen, weibliche Körper- und Gesundheitsthemen sichtbar zu machen, kommt der Vorwurf, das sei zu privat, zu laut, zu viel.

Doch das Gegenteil ist richtig: Nicht Offenheit schadet Frauen in den Wechseljahren – sondern jahrzehntelanges Schweigen.

Was in den Wechseljahren wirklich passiert – medizinisch erklärt

Die Beschwerden in der Perimenopause und Postmenopause sind keine reine Befindlichkeit, sondern ein biologischer Umbauprozess. Mit sinkenden Östrogen-, Progesteron- und Tesosteronspiegeln verändern sich wichtige Prozesse im Körper tiefgreifend. Das betrifft:

KörperAuswirkungen in den Wechseljahren
Herz-Kreislauf-SystemSchutz vor Arteriosklerose sinkt, Risiko Bluthochdruck und Herzinfarkt steigt
StoffwechselErhöhtes Risiko für Insulinresistenz & Typ-2-Diabetes
GehirnEinfluss auf Schlaf, Stimmung, Gedächtnis, Migräne
KnochenVerstärkter Knochenabbau, Osteoporoserisiko steigt
MuskulaturMuskelabbau nimmt zu
UrogenitalsystemVulvovaginale Atrophie, Libidoverlust, Harnwegs- und Blasenprobleme

Diese gesundheitlichen Veränderungen treten unabhängig von der Stärke der Symptome auf. Auch Frauen „ohne Beschwerden“ sind davon betroffen – oft unbemerkt. Deshalb ist es medizinisch unverantwortlich, die Wechseljahre auf Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen zu reduzieren.

Die eigentliche Krise: Frauen werden in den Wechseljahren medizinisch unterversorgt

Die häufigste Erfahrung von Frauen weltweit in dieser Lebensphase lautet: „Da müssen Sie jetzt durch!“. Was tatsächlich im weiblichen Körper passiert und welche Auswirkungen die Menopause auf die Gesundheit von Frauen im Alter hat, wird nicht erklärt, denn:

  • In der Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte kommt das Thema kaum vor, auch nur wenige Stunden im Facharztstudium Gynäkologie.
  • Es ist wirtschaftlich nicht attraktiv, Kassenpatientinnen in den Wechseljahren zu behandeln, da es bislang keine eigene Abrechnungsziffer gibt. So bleibt nur die Quartalspauschale in Höhe von ca. 16,89 Euro.
  • Ein Beratungsgespräch für Frauen in den Wechseljahren im Rahmen von Vorsorgeprogrammen fehlt („Menopause-Checkup“)
  • Die Hormonersatztherapie (HRT), laut internationalen Leitlinien eine hochwirksame Behandlung bei Beschwerden, wird in Deutschland noch immer oft zu Unrecht abgelehnt.
  • Viele Frauen erhalten stattdessen z.B. Schlafmittel oder Antidepressiva

Diese Versorgungslücke hat Folgen: Späte Diagnosen, chronische Beschwerden, sinkende Lebensqualität.

Fakt: Laut dem World Economic Forum (2024) verbringen Frauen weltweit 25 % mehr Jahre ihres Lebens in schlechterer Gesundheit als Männer. Das ist kein biologisches Schicksal – sondern das Ergebnis struktureller Fehlversorgung.

Wechseljahre als Gleichberechtigungsthema – keine „Privatsache“

Die Wechseljahre sind nicht nur ein medizinisches Thema, sondern auch ein Arbeits- und Gesellschaftsthema:

  • 25 % der Frauen reduzieren ihre Arbeitszeit in den Wechseljahren (MenoSupport, 2023)
  • 10 % verlassen den Job ganz und gehen früher in Rente – aufgrund der gesundheitlichen Herausforderungen MenoSupport, 2023)
  • Unternehmen verlieren Fachkräfte genau in der Lebensphase, in der viele Frauen auf dem Karrierehöhepunkt stehen.
  • Das verschärft das Gender Pay Gap und führt direkt in das Gender Pension Gap.
  • Auch Unternehmen kostet die mangelnde Unterstützung Geld: Auf 9,4 Milliarden Euro jährlich beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden allein in Deutschland (MenoSupport, 2024)

Trotzdem gelten die Wechseljahre noch immer als „Privatsache“. Das sehen auch 49 % der Führungskräfte so, wie eine Umfrage zeigt. Dass sie längst ein Wirtschaftsfaktor und ein Thema moderner Arbeitskultur sind – vergleichbar mit Schwangerschaft, Elternzeit oder mentaler Gesundheit. – haben bisher nur wenige Unternehmen erkannt.

Warum Aufklärung kein Trend ist – sondern Gesundheitsprävention

Wer das Sprechen über die Wechseljahre kritisiert, verwechselt Ursache und Wirkung: Frauen „jammern“ nicht über Symptome – sie verstehen Zusammenhänge. Das ist Gesundheitskompetenz..

Offenheit bedeutet:

  • Symptome ernst nehmen, statt sie zu verschweigen
  • Ursachen verstehen – nicht nur Folgen ertragen
  • Gesundheit aktiv gestalten
  • Krankheitsrisiken langfristig senken
  • Selbstbestimmung statt medizinischer Abhängigkeit

Schweigen ist das, was uns geschadet hat – nicht das Reden

Wir reden nicht zu viel über die Wechseljahre. Wir reden zum ersten Mal genug, um etwas zu verändern!

Frauen haben ein Recht auf:

  • Wissen statt Mythen
  • Verständnis für ihren Körper
  • Prävention statt Ignoranz

Die Wechseljahre sind eine relevante Phase im weiblichen Lebenslauf mit medizinischen, beruflichen und sozialen Auswirkungen. Sie sollten weder romantisiert noch dramatisiert werden – aber in jedem Fall gut erklärt!

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Häufige Fragen zu Wechseljahren & Gesundheit

Sind die Wechseljahre eine Krankheit?
Nein, sie sind eine natürliche Lebensphase – aber medizinisch relevant. Beschwerden sollten wirksam behandelt werden, so dass die Lebensqualität nicht leidet. Und Frauen sollten wissen, dass nach der Menopause das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose, Stoffwechselprobleme und Depressionen steigt.

Woran merke ich, dass ich in der Perimenopause bin?
Typische frühe Anzeichen sind Schlafstörungen, Zyklusveränderungen, Stimmungsschwankungen, Brustspannen oder Migräne – oft lange vor der letzten Periode.

Hilft eine Hormontherapie (HRT)?
Ja – für viele Frauen ist eine HRT die wirksamste und sicherste Behandlung von Beschwerden. Die bioidentische HRT kann individueller dosiert werden und gilt laut internationalen Leitlinien als risikoärmer als synthetische Präparate.

Warum ist Aufklärung so wichtig?
Weil viele Frauen Fehldiagnosen erhalten oder gar keine Behandlung bekommen. Aufklärung bedeutet weniger Beschwerden.